Eishalle Deutweg, Winterthur
Manchmal gibt es so nette Alternative Rock-Bands, welche man mal aus Versehen entdeckt, in der Zwischenzeit wieder vergessen hat. Billy Talent war bei mir so eine, das erste Album habe ich 2003 oder so mal ganz gut gefunden, die Band nachher aber mit Missachtung gestraft. Der Rest der Welt dagegen ist den umgekehrten Weg gegangen. Tja, wenn die lässigen Cancer Bats den Opener markieren, kann man sich ja mal einen Ausflug in den Mainstream geben. Leech*Redda hatte sich das Paket gekrallt und für ihre Verhältnisse ein Riesending in einer Eishalle veranstaltet. 60 Franken waren dann auch ein stolzer Preis, der aber in einer solchen Welt wohl recht normal ist.
Gestört hat das offensichtlich nicht viele. Über den Daumen geschätzte 5000 Jugendliche, Kinder, harte Slipknot-Fans, Neo-Emos und besorgte Eltern drängten sich in die eigentlich ganz nette Eishalle Deutweg in Winterthur. Schon vor der Vorband, die eh keine Sau kannte, wurde vor der Bühne gedrückt und geschoben was das Zeug hält. Vor einem solchen Publikum fühlten sich dann auch die kanadischen Cancer Bats zu gewissen Showeinlagen verpflichtet, was in diesem Fall ein als Samichlaus verkleideter Roadie an einer Kette war, der über der Bühne schwebte. Naja, dafür war ihr recht kurzer Auftritt super. Sehr tight intonierten sie ihren schweren Southern-Metal-Hardcore-Verschnitt, der eigentlich viel zu gut und zu schweinisch für diesen properen Rahmen war. „Hail Destroyer“ die erste Hymne des kurzen Sets. Auch die folgenden Songs fielen da in keinster Weise ab und Sänger Liam machte sauber den Max mit Gehampel und süffigen Ansagen. Die famose Pantera-Verbeugung „Lucifer’s Rocking Chair“ beendete einen guten und routinierten Auftritt einer Band, die sonst wie in Luzern vor 11 Leuten spielt. Den Kids hat’s dann im übrigen auch gefallen, sie pöbelten vor der Bühne was das Zeug hielt.
Ein ganz anderes Bild boten daraufhin ihre kanadischen Landsmänner von Silverstein, die bekanntlich eine Galionsfigur der Victory Records-Geldmaschine sind. Ihr Pseudo-Hardcore mit Gesinge ist hoch im Kurs in den Kinderzimmern und dementsprechend traten sie denn auch auf. Mit zünftiger Lichtshow, selten dämlichen Ansagen („Switzerland, this is a breakdown!“) und unsymphatischem Auftreten waren sie dann auch ein sauberes Gegenbeispiel zu den witzigen Cancer Bats. Tja, zu stören schien es denn auch niemanden, abgesehen von den genervten Kiffer-Eltern auf der Tribüne. Gerecht verteilt brachten sie alle Hits von ihren vier Alben und ermunterten die tobenden Kids noch zu weiteren Circlepits & Co. Der traurige Höhepunkt ihres schwachen Auftritts war dann wohl die Coverversion vom Radiohit von One Republic namens „Apologize“. Hmm, das ist halt schon noch Punk hier. Aua!
Nach dieser Vorband können sich die gefeierten Headliner natürlich nur auszeichnen. Aber sie hätten sich nicht anzustrengen brauchen, die Kids flippten nur schon beim Intro aus. Die bekannten Kanadier auf der deutlich vergrösserten Bühne brachten dann bewährtes Entertainment. Hit für Hit kamen sauber verteilt Songs aller drei Alben, gleich an dritter Stelle denn auch diese omnipräsente Sauerei namens „Rusted From The Rain“ unterstützt von reichlich durchaus schönen Lichteffekten und einem Chor von ausflippenden Teenies. Songs wie „Devil In A Midnight Mass“, „Surrender“ und „Try Honesty“ brachten das Publikum in beindruckenden Mengen zum Springen während die Band nach der langen Tour recht müde wirkte. Auch so wilde Verrenkungen wie früher bringt der sexy Frontmann Benjamin wohl nicht mehr. Der Stimmung tat’s keinen Abbruch. Nach einer Stunde und zehn Minute war dann das reguläre Set zu Ende und die vehement geforderte 20 Minütige-Verlängerung brach an. In dieser waren dann natürlich die ganz grossen Hits wie „Fallen Leaves“ und vor allem „Red Flag“ enthalten. Die Halle war da natürlich schon längst ein Tollhaus. Sogar die Eltern auf den Sitzplätzen konnten da mitsingen. So ging ein sauberer, wenn auch doch routinierter und abgeklärter Auftritt mit eingeübten Floskeln vorbei. Die Jugend strahlte.
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reto
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